2008 Gründung einer Jugendfirma zur Selbstverwaltung eines inklusiven Jugendzentrums in Stegen

2008 Gründung einer Jugendfirma zur Selbstverwaltung eines inklusiven Jugendzentrums in Stegen

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Projektbeschreibung

 

 

Die Gemeinde Stegen hat in ihrem kürzlich erst fertiggestellten „Haus der Vereine“ zwei Räume für die Jugend vor Ort bereitgestellt. Einer davon ist der ca. 90m² große Jugendraum, den Jugendliche selbst ausbauten und gestalteten. Bislang organisierte sich die Jugend vor Ort in einem gemeinnützigen Verein, der durch den Jugendreferenten unterstützt wurde, selbst. Personelle und strukturelle Veränderungen, wie z.B. der Rücktritt des gesamten Vorstands, der fehlende Nachwuchs innerhalb des Vereins, ein Generationenwechsel im alten Jugendraum und der Umzug in die neuen Räumlichkeiten, regten zum Nachdenken über neue Wege in der Offenen Jugendarbeit an.

Nach dem Modell einer Schüleraktiengesellschaft, aber mit den Eigenschaften einer Juniorfirma wurde als Initiative des gemeinnützigen Trägervereins „Förderkreis Offene Jugendarbeit Stegen e.V.“ die Aktiengesellschaft „JVA Stegen AG (Jugend verdient Achtung!)“ als Jugendfirma gegründet. Besonders erfreulich ist, dass hörgeschädigte Jugendliche des BBZ Stegen gemeinsam mit Jugendlichen aus der Region die Firma gründeten und jeweils für ein Jahr in verantwortliche Positionen (Aufsichtsrat und Vorstand) gewählt wurden.



Dass nun Jugendliche mit und ohne Hörschädigung Angebote der Offenen Jugendarbeit nicht nur gemeinsam nutzen, sondern sogar gemeinsam initiieren, indem sie eine Aktiengesellschaft gründen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, einen Offenen Treff selbst zu verwalten, ist bundesweit ein Novum.

Seit Ende Februar 2008 wird die Aktiengesellschaft von den 13 Gründungsmitgliedern (Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren) aufgebaut und geführt. Der Aufsichtsrat der AG besteht aus sechs Jugendlichen, von denen zwei das 18. Lebensjahr vollendet haben müssen. Im Vorstand sitzt der Kassenwart sowie die zwei Geschäftsführerenden, die ebenfalls das 18. Lebensjahr vollendet haben, und die fünf Abteilungsleiter bzw. deren Stellvertreter, für die keine Altersbeschränkung festgelegt wurde. Begleitet werden die Jugendlichen dabei von Dipl.-Soz.päd Stefan Pohl, Jugendreferent der Gemeinde Stegen und Mitarbeiter des BBZ Stegen. Gemeinsam wurde mit Behörden, wie dem örtlichen Gewerbeamt, dem Amtsgericht, dem Finanzamt, dem zuständigen Landratsamt und der Industrie- und Handelskammer Kontakt aufgenommen, um den Status der Jugendfirma abzuklären. In zahlreichen abendfüllenden Sitzungen erarbeiteten die verantwortlichen Jugendlichen eine Satzung, in der u.a. die gesamte Firmenstruktur und die einzelnen Aufgabenbereiche festgelegt wurden. Die beim Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg angesiedelte Initiative für Existenzgründungen und Unternehmensnachfolge (ifex) unterstützte diesen Prozess, indem sie eine anwaltliche Beratung finanzierte. Die Jugendstiftung Baden-Württemberg fördert das Projekt, indem sie sich an der Finanzierung der Einrichtung beteiligt und einen Selbstbehauptungskurs für verantwortliche Jugendliche sowie ein Wochenendseminar für ehrenamtliche Leitungsteams in selbstverwalteten Jugendräumen finanziert.

Die Jugendfirma wurde und wird in ihrer Anfangsphase vom Jugendreferat der Gemeinde Stegen nach Bedarf unterstützt. Es gilt dabei der Grundsatz: Soviel Eigenverantwortung der Jugendlichen wie möglich, soviel Hilfe wie nötig. Die Unterstützung beschränkt sich auf die Funktionen Moderation und Beratung in organisatorischen, strukturellen und rechtlichen Fragen.

Ziel der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Stegen ist es, Bildungsprozesse in Gang zu setzen. Dabei wird Bildung als ein umfassender Prozess der Entwicklung und Entfaltung derjenigen Fähigkeiten verstanden, die Menschen in die Lage versetzen, zu lernen, Leistungspotenziale zu entwickeln, zu handeln, Probleme zu lösen und Beziehungen zu gestalten. Partizipative Strukturen, wie sie durch die Jugendfirma gegeben sind, fördern die Bildung von Schlüsselqualifikationen wie Dialogfähigkeit, Wertorientierung, Konfliktlösungsfähigkeit, Teamfähigkeit, Gemeinsinnorientierung und Partizipationsfähigkeit. Sie stärken aber auch die individuellen sozialen Fähigkeiten der verantwortlichen Jugendlichen wie Selbstreflexionsfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und einen konstruktiver Umgang mit Vielfalt.

Nur wer seine Ziele kennt, kann erfolgreich agieren. Deshalb sind gemeinsam mit den Jugendlichen an Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit orientierte Unternehmensleitlinien entwickelt und in der Präambel der Satzung festgehalten worden, die später Entscheidungen als Reflektionsgrundlage dienen können. Auf Grundlage der Satzung werden die verschiedenen Abteilungen ihre kurz-, mittel- und langfristigen Konzepte erarbeiten und ihre Arbeitsweisen bzw. Arbeitsergebnisse wechselseitig präsentieren. Die notwendigen fachlichen Kompetenzen werden den Jugendlichen intern und extern vermittelt. Einmal jährlich veröffentlicht die Jugendfirma einen Abschlussbericht, in dem der Thematik "Nachhaltigkeit" besondere Bedeutung zukommt. Dieser Abschlussbericht dient auch der kontinuierlichen wirtschaftlichen und sozialen Weiterentwicklung der Firma.

Obgleich es von Vorteil ist, wenn sich Heranwachsende in ihrer Freizeit mit Firmenstrukturen und marktwirtschaftlichem Denken bzw. Handeln beschäftigen, so ist die Jugendfirma in erster Linie ein Angebot zur Selbstorganisation Jugendlicher und im Kontext der Prinzipien der Offenen Jugendarbeit zu sehen. Das pädagogische Konzept des Angebotes lässt sich in dem Satz zusammenfassen: „So nah wie möglich am realen Wirtschaftsleben, aber so praktikabel wie möglich für die Offene Jugendarbeit“.

 

Projektträger
Dorfplatz 1
79252 Stegen
Deutschland
Themenfeld
Region, Partner
Infos
Zuletzt geändert: 
22.03.2016 - 16:09
Inhaltstyp: 
projekt
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