Zertifizierung zur sucht- und gewaltfreien Klasse in Bad Wildbad

Zertifizierung zur sucht- und gewaltfreien Klasse in Bad Wildbad

Snapshot Themenfeld
Projektbeschreibung

Abschlussbericht sucht- und gewaltfreie Klasse Bad Wildbad

Die Projektidee:

Schulklassen, sollen in die Lage versetzt werden, selbst Konflikte lösen zu können und die Klassenatmosphäre deutlich verbessern zu können. Sie sollen sensibel mit den Themen Drogen und Alkohol umgehen können und offen über ihre Probleme reden können.

Nach einer ersten Situationsanalyse mittels eines Fragebogens (siehe Anhang) stehen 2 Mitglieder der Projektgruppe den jeweiligen Klassen mit Rat, Ideen und Anregungen zur Verfügung.

Die Projektgruppe:

Die Projektgruppe besteht aus der Fachstelle Sucht Calw, der Caritas Schwarzwald-Gäu, dem Jugendhaus Bad Wildbad, dem Enztalgymnasium und der Kreisjugendpflege/Kreisjugendring Calw.

Aktiv in die Arbeit mit den Klassen eingebunden waren Annika Meder von der Fachstelle Sucht Calw, Dorothee Engel und Kerstin Hass vom Enztalgymnasium und Wolfgang Borkenstein von der Kreisjugendpflege/Kreisjugendring Calw.

Ausweitung:

Das Projekt wurde auch in 2 Klassen der Realschule Bad Liebenzell durchgeführt.

Teilnehmende Klassen:

waren

Enztalgymnasium Bad Wildbad (Klassenname immer zum Einstieg ins Projekt)

• 10b (Schuljahr 09/10)

• 9a (Schuljahr 09/10 und 10/11)

• 8a (Schuljahr 09/10 und 10/11)

• 7b (Schuljahr 09/10 und 10/11)

• 6b (Schuljahr 09/10 und 10/11)

• 5c (Schuljahr 09/10 und 10/11)

• 6a (Schuljahr 10/11 und 11/12)

Noch im Projekt sind (verbleiben über das Projektende hinaus)

• 5a (Schuljahr 11/12 und 12/13

• 5b (Schuljahr 11/12 und 12/13)

Realschule Bad Wildbad-Calmbach

• 7a (Schuljahr 09/10 und 10/11)

• 7b (Schuljahr 09/10 und 10/11)

• 8a (Schuljahr 09/10 und 10/11)

• 8b (Schuljahr 09/10 und 10/11)

• 9a (Schuljahr 09/10 und 10/11)

• 9b (Schuljahr 09/10 und 10/11)

Goßweilerschule Bad Wildbad-Calmbach (Werkrealschule)

• 5a (Schuljahr 10/11 und 11/12)

• 5b (Schuljahr 10/11 bis November 2011)

Reuchlin-Schule Bad Liebenzell (Realschule)

• 7a (Schuljahr 11/12)

• 7b (Schuljahr 11/12)

Insgesamt waren/sind also 19 Klassen beteiligt.

Ausgangssituationen:

Die Situation in der jeweiligen Klasse wurde anfangs mit einem Fragebogen festgestellt. In der 5. und 6. Klassen sind dabei die Fragen nach „Sucht“ nicht beinhaltet.

Es haben sich teilweise Klassen beteiligt, die schon eine gute Klassenatmosphäre haben und diese noch weiter verbessern wollten. Dies zeigt sich in der ersten Frage des Fragebogens; hierbei war die Beurteilung der Stimmung/Atmosphäre in der Klasse, die auf einer Skala von -4 bis +4 angekreuzt werden musste, wobei sich die ganze Klasse auf einen Wert einigen musste. Hier zeigten sich die folgenden Ergebnisse:

+2 5 Klassen

+1 3 Klassen

0 5 Klassen

-1 2 Klassen

-2 3 Klassen

-3 1 Klasse

Ergibt einen Mittelwert ganz knapp über 0

In 18 der 19 Klassen wird von Mobbing und Ausgrenzung berichtet. Schimpfwörter sind an der Tagesordnung, auch Schlägereien werden öfters geschildert. Deshalb haben wir uns allen Klassen angenommen, auch den +2-Klassen.

In der Nachbetrachtung muss über die anfänglichen Fragebögen folgendes berichtet werden: Vor allem die Fragebögen mit den Bewertung +1 bis -3 zeigen die Ambivalenz der Klasse. Trotz Mobbing und Ausgrenzung, trotz Schlägereien und Vandalismus wird an der Klasse festgehalten, die Wir-Mentalität zeigt sichstark und selbst bei -3 wurde ausgesagt, dass es doch immer jemanden gibt, der sich für den „Ausgegrenzten“ einsetzt.

Aber diese -3 Klasse betonte im Fragebogen deutlich, dass sie an ihrem Sozialverhalten arbeiten wollen und eine starke Klassengemeinschaft werden wollen, also praktisch einen Hilferuf an außen absetzen „Wir brauchen Hilfe“. Trotzdem waren wir in allen Klassen „richtig“.

Die Arbeit mit der Klasse

In der Regel wurde wie folgt vorgegangen

• Besprechung des Fragebogens

• Fragen zur Klasse – Was gefällt mir an meiner Klasse? – Was gefällt mir nicht an meiner Klasse? – Was müsste in meiner Klasse verändert werden?

• Besprechung dieser (umfangreichen) Antworten: auch bei den +-Klassen kamen mehr „gefällt mir nicht“ als „gefällt mir“-antworten

• Was ist überhaupt Gewalt? (auch Diskussion verbale – nonverbale Gewalt)

• Umgang mit Konflikten

• Übungen zu Zivilcourage

• Rollenspiele zu Mobbing

• Kooperationsspiele

• Was haben meine Mitschüler(innen) für Stärken?

• Immer wieder Besprechung der aktuellen Vorkommnisse und Probleme in der Klasse

• Klasse alleine lassen zur Problemlösung

• Durcharbeiten des Jugendschutzgesetzes

• Diskussion zu Sucht, Alkohol und Drogen (ab Klasse 7)

Pro Klasse wurden 5-10 Doppelstunden „sucht- und gewaltfreie Klasse“ „unterrichtet“.

Misserfolg:

Das Projekt mit der Klasse 5b (Schuljahr 11/12 6b) der Goßweilerschule musste abgebrochen werden. Wie schon im Zwischenbericht angedeutet, gibt es 3 Schüler (Klassenstärke 14 Schüler(innen)) die sämtliche Anstrengungen und Abmachungen der anderen Schüler(innen) untergraben und boykottieren. Den anderen 11 fehlt es leider an Mut und Zivilcourage diese 3 in Griff zu bekommen (verschiedene Versuche, nur mit diesen 11 zu arbeiten waren dann erfolglos, als die 3 Störer wieder dazu kamen)und so konnten in dieser Klasse keine Regeln der Klasse erarbeitet werden und Begriffe wie Fairplay werden von den 3 zwar von anderen eingefordert, gelten aber nicht für sie selber.

Ergebnisse

Die Fragebögen wurden zum Ende des Projekts nicht wiederholt. Uns genügte der Blick in die Klassen um zu sehen, dass sich in allen Klassen etwas getan hat und sei es nur die Tatsache, dass Konflikte und Schimpfwörter erkannt und sichtbar gemacht und sie zum Thema gemacht werden.

Alle Klassen (außer 5b Goßweiler) haben Strategien entwickelt, dass sich alle „in der Klasse wohler fühlen können“. In der Regel werden die ausgegrenzten Schüler „an die Hand genommen“ und integriert, Schüler(innen) die sehr schweigsam sind werden aufgefordert mitzumachen und jeder traut sich offen zu sagen, was ihm an anderen passt und nicht passt. Diese „neue“ Klassenatmosphäre beinhaltet, dass, wenn es ein Vorkommnis gibt, keiner der Betroffenen oder Zuschauer nicht mehr nur schweigt oder lacht oder sich zurückzieht sondern sicher jeder als Beteiligter der Situation, als Beteiligter des Konflikts und als Beteiligter der Konfliktlösung sieht. Dies scheint mir in der Nachbetrachtung das Besondere am Projekt zu sein, keiner ist mehr der Unbeteiligte.

Einzelanalyse (zum Teil aus dem Zwischenbericht entnommen):

Enztalgymnasium

• 10b (Schuljahr 09/10)

Die Klasse 10a war von Anfang bis Ende sehr motiviert und hat ihr schon „gutes Verhalten“ noch weiter verbessert

• 9a (Schuljahr 09/10 und 10/11)

Die 9a war von Anfang an kein Problemfall und hätte das Zertifikat auch schon am Anfang verdient.

• 8a (Schuljahr 09/10 und 10/11)

Die 8a zeigt anfangs sehr große Probleme, was das Zusammengehörigkeitsgefühl angeht. Durch eine Vielzahl von Gesprächen und Übungen konnte dieses deutlich verbessert werden, bis hin zu einer „starken Klassengemeinschaft“

• 7b (Schuljahr 09/10 und 10/11)

Die 7b war motiviert und hat ihr Verhalten noch weiter verbessert

• 6b (Schuljahr 09/10 und 10/11)

Die 6b war äußerst zerstritten, es gab Beleidigungen, Zerstörungen und zahlreiche Mobbingfälle. In ca. 10 Treffen hat sich die Klasse deutlich verbessert, Mobbing ist nicht mehr der Fall, kleinere Streitereien und Beleidigungen wird es immer geben, aber es „hält sich in Grenzen“. Das Zertifikat haben sie sich auf Grund der Anstrengungen und der Verbesserung von -2 auf 0 oder sogar +1 verdient

• 5c (Schuljahr 09/10 und 10/11)

Auch die 5c war ein schwerer Fall. Insbesondere die Gruppenbildung innerhalb der Klasse war ein großes Problem. Es gab zahlreiche Konflikte und Ausgrenzungsfälle. Allein die Analyse „Was gefällt mir an der Klasse?“ und „was gefällt mir nicht?“ nahm vier Schulstunden in Beschlag. Das war schon der wichtigste Teil der ganzen Aktion. Danach waren Kooperationsspiele sehr hilfreich um das Klassenklima zu verbessern. Es hat sich eine Gruppe von Schülerinnen gebildet, denen das Klassenklima „sehr am Herzen liegt“ und die das „Heft dann in die Hand genommen haben“. Diese Gruppe hat sehr ausgleichend gewirkt. Noch immer werde ich von dieser Klasse zum Grillfest eingeladen

• 6a (Schuljahr 10/11 und 11/12)

Sehr intensiv musste mit der 6a gearbeitet werden. Der innere Zusammenhalt der Klasse war zu Beginn des Projekts sehr sehr schlecht, war vor allem an 4 Jungen in der Klasse lag, die alle möglichen Rollen einnahmen. Klassen-Kaspar, der Stärkste, der Lauteste und der „Petzer“. Zuvor hatte die Lehrerin schon mit grünen und Roten Punkten gearbeitet, was aber nicht vorteilhaft war. Durch verschiedene Aktionen (z.B. gemeinsames Frühstück, gemeinsames Bauprojekt, Kooperationsspiele) ist es gelungen diese Jungen zu „bändigen“ und die Klassengemeinschaft hat sie aufgenommen. Auch ein Mädchen, dass in den ersten drei Doppelstunden wie abwesend wirkte und nie ein Wort sprach ist inzwischen bei den anderen Mädchen integriert. Manchmal fällt der Lauteste zwar wieder in sein alles Rollenschema zurück, aber er ist dann auch schnell wieder zurück zu holen.

Noch im Projekt sind (verbleiben über das Projektende hinaus)

• 5a (Schuljahr 11/12 und 12/13

• 5b (Schuljahr 11/12 und 12/13)

Beide Klassen sind auf einem guten Weg und werden ihr Zertifikat im Frühjahr 2013 erhalten.

In der Realschule Calmbach kamen im Schuljahr 11/12 keine neuen Klassen hinzu, deshalb kann der Zwischenbericht an dieser Stelle übernommen werden:

In allen 6 Klassen waren anfangs Gruppenbildungen zu sehen. Diese sind erhalten geblieben. Jedoch ist der Umgang zwischen den Gruppen deutlich entspannter geworden, Schimpfwörter haben nachgelassen, einzelne Fälle von Ausgrenzung gibt es nicht mehr. Interessant war die Entwicklung, als klar wurde, dass aus den beiden 8. Klassen im nächsten Jahr 3 9. Klassen gebildet werden sollen. Die Solidarisierung in den Klassen war immens, beinhaltet jedoch mit einer „absoluten Herabwürdigung“ (auch übers Internet) der jeweils anderen Klasse. Daran wurde dann zum Schluss des Projekts gearbeitet.

5a Goßweilerschule

Sehr zeitintensiv war die Arbeit in der Werkrealschule mit der 5a. Ein an Anfang ausgegrenzter Schüler konnte gut integriert werden und entwickelte sich sogar zu einem Stabilitätsfaktor der Klasse. Anderen Jungen in der Klasse „tickten“ manchmal aus, waren dann wieder die „frommsten Lämmchen“ (sehr spannend) aber im Endeffekt sind sie auf einem guten Weg. Bei den Mädchen gab es sehr unterschiedliche Konstellationen, 2 Mädchen die die besten Freundinnen waren, zerstritten sich und wurden in andere Koalitionen eingebunden, die dann miteinander in Konflikt kamen. Immer neue Koalitionen haben immer wieder zur intensiven Diskussion über das „Wir“ geführt. Tatsächlich zeigt sich die Klasse sich im Moment tatsächlich als Einheit, was vor allem durch die intensive Beschäftigung über die „Stärken der Klassenkameraden“ erarbeitet wurde, andererseits wollte die Klasse unbedingt die Belohnung Ausflug in den Europa-Park erhalten und war deshalb motiviert die Stimmung zu verbessern.

Leider wird diese Klasse nun mit der B-Klasse zusammengelegt (siehe Misserfolg) mit einer aus meiner Sicht sehr schwierigen Zukunftsperspektive.

Realschule Bad Liebenzell

Mit der Aufnahme der 7a und die 7b sollte die Übertragbarkeit des Konzepts auf andere Schulen gezeigt werden. Dies ist in diesen beiden Fällen sehr gut gelungen, wenn auch zu sagen, das diese Klassen nicht die „konfliktreichsten“ Klasse waren. Im beiden Klassen bestand die hauptsächliche Arbeit in der Analyse von jeweils 2-3 Gruppen pro Klasse, deren Probleme miteinander und in dem Aufzeigen, wie man trotzdem, gut miteinander auskommen kann. Dieses Vorhaben gelang und scheint nachhaltig zu sein. Großen Raum nahm die Vorbereitung auf den „ersten Rausch“ und die Auseinandersetzung mit dem beginnenden Rauchen (jeweils 1 Raucherin pro Klasse) ein, wobei hier sehr interessante Diskussionen entstanden.

Alkohol, Rauchen und Drogen

Es zeigte sich im Laufe des Projekts, dass dieses Thema nur sehr indirekt einbezogen werden kann. Es gibt keine suchtfreie Klasse ab Klasse 7. Das Rauchen beginnt und spätestens mit 14 Jahren wird auch Alkohol getrunken. Natürlich nicht in der Klasse und/oder in der Schule sondern außerhalb und am Wochenende. So haben wir uns verständigt, dass das Projekt folgendermaßen mit dieser Thematik umgeht: Seid stark genug, dass ihr nicht abhängig von Alkohol, Tabak und Drogen werdet, seid stark genug, dass ihr dieses „Zeugs“ nicht braucht und einen „normalen Umgang“ damit erlernt.

So konnten durch die Diskussionen die Klassen zum Umgang mit Alkohol, Drogen und Rauchen sensibilisiert werden und ein kritischer Umgang damit erreicht werden.

Mit allen Klassen wurde zudem das Jugendschutzgesetz durchgesprochen.

Fazit

Das Projekt eignet sich hervorragend, Gruppen in Klassen zu vereinen, Außenseiter zu integrieren und Konfliktlösungsmöglichkeiten zu erlernen. Klassen in denen keine „massiven“ Störer sind, können Selbstheilungskräfte bekommen und diese lernen einzusetzen. Klassenstrukturen können verbessert und ausgebaut werden. Es hat sich gezeigt, dass hieraus auch Methoden wie „Klassenrat“ entstehen können, in denen die Schüler(innen) ihre Probleme tatsächlich selber lösen können.

Das Projekt stößt allerdings an Grenzen, wenn benachteiligte Schüler die Klassenatmosphäre bewusst unterwandern und boykottieren.

Die Sensibilität im Umgang mit Alkohol und Drogen wird erreicht und Schüler reflektieren ihren Umgang mit Suchtmitteln.

Ausblick

Das Projekt wird an der Standorten Bad Wildbad und Bad Liebenzell weitergeführt. Die Bereiche Nagold und Calw sind am Projekt nicht interessiert. Wahrscheinlich wird es noch eine Ausweitung auf Bad Herrenalb geben, so lange es dort noch eine Schule gibt.

Finanziell haben wir noch 600.- € der Stadt Bad Wildbad zur Verfügung.

Ab 2013 können jedoch zusätzlich und dann dauerhaft 1500.- € vom Etat der Kommunalen Kriminalprävention für das Projekt verwendet werden, so dass pro Jahr 5-6 Klassen am Projekt teilhaben können.



Wolfgang Borkenstein

2.8.2012 

 

Projektträger
Kreisjugendring Calw e.v.
Vogteistr. 44
75365 Calw
Deutschland
Telefon: 
07051/160477
Fax: 
07051/795477
Themenfeld
Region, Partner
Infos
Zuletzt geändert: 
22.03.2016 - 16:10
Inhaltstyp: 
projekt
Beitrag Id: 
251959